(Fortsetzung von gestern)
Der Weihnachtsmann tauchte in diesem Sommer ungewohnt oft bei seinem Kumpel Steffen auf. Wie es denn so gehe und ob’s was besonderes gebe? Doch Steffen zeigte sich als Schuft: Obwohl er genau spürte, dass sein Kumpel Klaus vor Neugier schier umkam, was es mit seinen zwei Adelshäuptern, der Musik und deren Fortschritten auf sich hatte, lenkte Steffen das Gespräch nie darauf. Schließlich brachte der Weihnachtsmann bei einem der Besuche seine tiefe Sorge zum Ausdruck:
„Die Milch von deinen vier Damen (er deutete auf die von Rosa und ihren Gespielinnen begraste Weide) hat in letzter Zeit nicht einen etwas eigenen, um nicht zu sagen säuerlichen Beigeschmack? Von wegen der Beschallung ...“
„Du weißt doch, Klaus: Alle Studien sind sich einig, dass Musik, besonders harmonische Musik, sich positiv auf die Milchproduktion auswirkt.“
„Pfui, du sollst deinen Kumpel nicht veralbern. Du weißt genau, was ich wissen will!“
Steffen klopfte Klaus versöhnlich auf den Arm: „Dann frag doch einfach grad raus! Ich bin echt verblüfft, welche Fortschritte sie machen. Wenn sie die Überei durchhalten, dann könnte durchaus was anhörbares daraus werden.“
Mehr war zu diesem Thema zum tiefen Bedauern des Weihnachtsmanns aus Steffen nicht rauszuholen: Die Lady und der Sir hatten Steffen zur Geheimhaltung verpflichtet, und daran hielt er sich.
Dann war endlich der Weihnachtstag da. Über dem Schlittengespann und seinem Lenker lag eine unausgesprochene, knisternde Spannung, so dass sie ihre Geschenkeausfahrt so schnell wie möglich hinter sich brachten.
„Hört ihr’s? Wir sind noch nicht mal alle zur Haustür herein, da läutet schon das Bescherungsglöcklein. Für mich kommt’s eindeutig aus dem Zimmer vom Chef.“ Edelgunde drängte sich mit ihrem durchsetzungskräftigen Charme durch die anderen Adelshäupter und wartete ungeduldig auf den Weihnachtsmann. Endlich hatte der seine Aufräumarbeiten rund ums Haus erledigt, stapfte durch den Flur, schob seinerseits die Lady sanft, aber nachdrücklich zur Seite, zog umständlich den Schlüssel zu seinem Zimmer aus der Hosentasche und drehte ihn im Türchloss. Um die Spannung noch ein wenig zu erhöhen, öffnete er nicht gleich, sondern wandte sich ans Kindl:
„Merkwürdig, ich habe gar nichts davon mitgekriegt, dass die Vorbereitungen fürs Fest in meinem Zimmer laufen. Dein Werk, Kindl?“
Das Christkind schüttelte seine Goldhaare. In diesem Moment stieß der Weihnachtsmann die Tür auf und alle sahen – nichts, außer „schwarz“.
„Dieses Jahr kein himmlischer Kerzen-Anzündeservice? Servicewüste Weihnachtszimmer!“, brummelte der Weihnachtsmann gewollt grantig, während er nach dem Lichtschalter suchte und diesen schlussendlich betätigte.
„Na sowas: Kein Baum, keine Lichter, keine Geschenke. Das Zimmer sieht so aus, wie immer.“ Der Chef stand festgewurzelt auf der Schwelle, während die Adelshäupter versuchten, einen Blick über seine Schultern zu werfen.
„Das gibt’s ja nicht, dass mich mein musikalisch so gebildeter Gehörsinn getäuscht hat. Schauen wir also bei uns.“, meinte Edelgunde, und wirkte fast so verblüfft wie der Weihnachtsmann. Der musterte die Lady kritisch, aber er konnte keiner lei boshaftes Lächeln, nur ein unschuldsvolles Augenklappern hinter der Verblüffung ausmachen. „Wenn die Adelshäupter nichts wissen und das Kindl seine Finger nicht im Spiel hat – wer dann?“ brummelte der Weihnachtsmann in seinen dafür reichlich vorhandenen Bart.
(Fortsetzung im morgigen Türchen)
Text: © Kili Riethmayer
Bild: © Doris Lettmann
Für den Fall, dass Ihnen die Episode Spaß gemacht hat, finden Sie die Adelshäupter, den Weihnachtsmann und das Kindl unter den nachstehenden Links:
Eine denkwürdige Schlittenfahrt (2010),
Schöne Bescherung (2011),
Die Überraschung (2012),
Das Weihnachtsessen (2013),
Aushilfskräfte (2014),
Der Herzenswunsch (2015),
Die Panne (2016) (Teil 1),
Die Panne (2016) (Teil 2),
Glühwein (2017) (Teil 1),
Glühwein (2017) (Teil 2),
Entzückend! (2018) (Teil 1),
Entzückend! (2018) (Teil 2),
Freue dich! (2019) (Teil 1),
Freue dich! (2019) (Teil 2),
Kumpels (2022) (Teil 1),
Kumpels (2022) (Teil 2)