Kurz vor Ostern musste es einfach heraus. Man sah es der Lady an, dass sie andernfalls geplatzt wäre.
„Jetzt, wo draußen der Schnee so schön glänzt, möchte ich euch eine riesige Weihnachtsüberraschung verkünden!“
„Na dann, fröhlich Weinachten, liebe Lady“, verhinderte der Sir ihre weiteren Ausführungen, wodurch der Siedepunkt Edelgundes überschritten wurde und sich zarte, durch ihren Nüsternpuder adrett pink eingefärbte Dampfwölkchen vor ihren Nüstern zeigten. Sir Quirin setzte unerschüttert fort: „Ich fürchte, unser Chef hat vollständig verschlafen, dass Weihnachten dieses Jahr auf Ostern fällt, der Schlitten steht noch komplett leer im Schuppen.“
„Depp!“ fuhr die Lady Sir Quirin zornfunkelnd an.
„Sir Depp, bitte!“ Die Queen wirkte deutlich indigniert, ob Edelgundes Mangel an Etikette. „Und jetzt heraus mit deiner Überraschung.“
„Ich werde unserem Weihnachtsfest die Krone aufsetzen!“ Die triumphierend blitzenden Blicke Edelgundes ließen das Zimmer sichtbar heller werden.
„Noch gehört die Krone mir und ich habe nicht vor, sie an Weihnachten abzugeben!“ warf die Queen trocken ein.
„Und für meine sehe ich das geradeso.“ unterstützte der King die Queen.
„Ich meinte das im übertragenen Sinn: Ich werde für den absoluten Höhepunkt des Heiligen Abends sorgen. Eure altmodischen Kronen könnt ihr getrost behalten!“. Lady Edelgunde klang herablassend und zugleich ein wenig verzweifelt. Sie kam nicht recht voran mit ihrer alles überbietenden Neuigkeit. Banausen! Blaublütige Banausen! rumorte es in ihrem Inneren.
„Was also?“ Der Weihnachtsmann legte seine Zeitung, in der er gerade noch geblättert hatte, penibel zusammen. Mit seinem dicken Zeigefinger deutete er auf eine Nachricht auf der Sportseite: „Unglaublich, schon die siebte Trainerentlassung in dieser Saison. Völlig verrückt. Interessieren jemanden von euch die Details? Nicht? Wenigstens die neuesten Gerüchte um meinen Lieblingsverein? Auch nicht?“ Als ob er in Edelgundes Innerem gelesen hätte, schloss er das Thema ab: „Banausen! Dann spann uns nicht länger auf die Folter, Edelgunde! Warum erzählst du uns nicht endlich, was du geplant hast?“
Lady Edelgunde verdrehte die Augen, sog gefühlt sämtlichen Sauerstoff, der sich im Zimmer befand ein – dann sprudelte sie ohne Punkt und Komma los, ohne den anderen eine Chance zu lassen, sie zu unterbrechen:1 „Ich will ja die ganze Zeit aber es ist unmöglich in dieser Runde zwei zusammenhängende Sätze loszuwerden weil mich dauernd jemand unterbricht ich werde nämlich damit ihr’s wisst uns allen ein klassisches Weihnachtslied auf der Geige spielen weil das schon seit immer und ewig mein Wunsch war und weil unser Gesang unter dem Baum in all den Jahren seit wir zusammen feiern einfach zu dünn klingt um himmlische Größe zu erreichen und dieser Auftritt wird alles was wir bislang hatten verblassen lassen selbst unseren klingenden sich drehenden Weihnachtsbaum so und jetzt wisst ihr es!“ Die Lady sah ausgepumpt und Beifall heischend um sich.
„Du – spielst – Geige??“ – „Seit wann denn das?“ – „Du hast ja überhaupt kein Instrument?“ – „Wenn man’s nicht kann, kratzt das eher höllisch als himmlisch!“ Die übrigen Adelshäupter und der Weihnachtsmann überschlugen sich in ungläubigen Ausrufen. Nur das Kindl, das seit Kurzem mal wieder auf dem Hof weilte, meinte anerkennend:
„Das ist wirklich ein schöner Gedanke, liebe Edelgunde! Spielst du denn schon länger? Geige ist ja wirklich ein schweres Instrument.“
„Hab ich’s mir doch gedacht, dass euch meine Abwesenheit an meinen Übungsnachmittagen überhaupt nicht aufgefallen ist! Ich war bei Steffen, der zum einen sehr feinfühlig gegenüber adeligen Damen ist, und zum anderen von seinem Vater sowohl eine Geige als auch Noten geerbt hat. An verregneten Nachmittagen gibt er mir Stunden. Ich sei sehr talentiert, betont er immer wieder.“
„Oh! Hat Steffen denn noch mehr Instrumente auf seinem Anwesen?“ Sir Quirin war hörbar neugierig.
„Ein Schlagzeug, das sein Cousin sich mal eingebildet hatte, an dem er aber den Spaß verlor und das ihm anschließend im Weg umging! Jetzt verstaubt’s unbenutzt bei Steffen im ersten Stock.“
„Genau das, was ich schon immer spielen wollte!“
„Und dann spielt ihr zusammen Stille Nacht, heilige Nacht – oder wie? Hat mir mal jemand meine Tabletten gegen Bluthochdruck?“
1 Falls jemand in Lady Edelgundes folgendem Wortschwall die Satzzeichen vermisst: Es waren einfach keine enthalten.
(Fortsetzung im morgigen Türchen)
Text: © Kili Riethmayer
Bild: © Doris Lettmann
Für den Fall, dass Ihnen die Episode Spaß gemacht hat, finden Sie die Adelshäupter, den Weihnachtsmann und das Kindl unter den nachstehenden Links:
Eine denkwürdige Schlittenfahrt (2010),
Schöne Bescherung (2011),
Die Überraschung (2012),
Das Weihnachtsessen (2013),
Aushilfskräfte (2014),
Der Herzenswunsch (2015),
Die Panne (2016) (Teil 1),
Die Panne (2016) (Teil 2),
Glühwein (2017) (Teil 1),
Glühwein (2017) (Teil 2),
Entzückend! (2018) (Teil 1),
Entzückend! (2018) (Teil 2),
Freue dich! (2019) (Teil 1),
Freue dich! (2019) (Teil 2),
Kumpels (2022) (Teil 1),
Kumpels (2022) (Teil 2)