Vorbemerkungen: Denjenigen, die unseren Adventskalender schon in den letzten Jahren besucht haben, sind sie bereits gut bekannt, das (Christ)Kindl, der Weihnachtsmann und die Adelshäupter, seine vier Rentiere. Für Erstleser finden sich Links zum Kennenlernen der Protagonisten am Ende der Seite.
Da Doris, die auch die Icons zu unseren Kursen gestaltet, den Darstellern ein Gesicht verliehen hat, sind Text und Bilder auf zwei Türchen verteilt. Zu hohe Türen sind, wie Hürden, nur schwer zu bewältigen.
Der Weihnachtsschlitten glitt leise knirschend und fröhlich klingelnd über
den Schnee. Endlich einmal war daran kein Mangel an Weihnachten, endlich
einmal waren die Dächer der Häuser mit einer dicken, weißen Schicht
überzogen, säumten Schneewälle die Straßen. Den Weihnachtsmann stimmte
die so prächtig winterliche Natur
richtig übermütig: Als er vom Abliefern einiger Geschenke zurück zur
Straße ging, entwendete er kurzfristig die neben der Haustüre lehnende
Schneeschippe und stieß damit heimlich die über die Straße ragenden Äste
einer Kiefer an. Der Schnee entlud sich silbern funkelnd über die
Adelshäupter.
„Ich finde das nur eingeschränkt lustig”, mäkelte die Queen. Hoffentlich
hatte ihre heutige, besonders reizend-festliche Hutkreation nicht Schaden
genommen! Die Adelshäupter schüttelten missmutig
den Schnee ab, warfen erst unwillige Blicke auf den Baum, dann auf den
Chef, der diesen unmöglichen Parkplatz ausgesucht hatte. Der
Blick in das erheiterte Gesicht des Weihnachtsmannes und auf die Schneeschippe
in seinen Händen, verriet den Adelshäuptern,
wie es zu diesem tragischen Zwischenfall hatte kommen können.
„Wir finden's ebenfalls nicht lustig”, entrüstete sich der Chor der
drei übrigen Rentiere.
„Nun habt euch bloß nicht so, endlich mal üppig-weiße Weihnachten! Freut
euch lieber über das herrliche Funkeln und Glitzern.”
„Wenn mir nach Glitzern zu Mute ist, dann verfüge ich über genügend
vorgewärmte Effektkosmetika zu Hause im Bad.”
Lady Edelgunde nieste vorwurfsvoll-lautstark. „Ich fühle eine Grippe in mir
heraufsteigen. Aber wie es mir an den Feiertagen geht, ist dem Herrn Arbeitgeber
offensichtlich egal.”
„Dann kommt die altrosa Rheumaunterwäsche, die ich dir zu
Weihnachten schenke, gerade richtig.” Der Weihnachtsmann war nicht gewillt,
sich die Freude an der herrlichen Nacht verderben zu lassen. Lady Edelgunde,
die bei dem Gedanken an die rosafarbenen Warmhalteteile erschauerte, stellte
ihr Niesen dezent ein.
Der Weihnachtsmann konsultierte seine Liste. „Die alte Frau Strengbein wohnt
immer noch mutterseelenallein dort draußen in ihrem Häuschen am
Waldesrand!”, rief er ungläubig aus. „Und wie seit Jahren besteht ihr
einziger Wunsch aus einer Flasche Rotwein, zum Vertreiben der
Winterkälte und um auf das Christkind und den Weihnachtsmann anstoßen zu
können - die Gute.”
„Von uns ist wohl nicht die Rede?”, fragte der King spitz.
„Doch, doch”, antwortete der Weihnachtsmann leutselig, „klar, dass ihr
ebenfalls erwähnt seid; das genaue Zitat lautet: , ... und um auf das
Christkind, den Weihnachtsmann und die vier Kamele, die den Schlitten den
langen Weg ziehen, anstoßen zu können.' ”
„Einen umwerfenden Humor versprüht unser Chef heute mal wieder - ich hätte
Lust, die Stelle zu wechseln”, sagte Sir Quirin. „Irgendwohin, wo eine
geistvolle Unterhaltung möglich ist.”
„Dann wechselt doch die Ställe - ihr könntet etwa in die Garage umziehen.”
Der Weihnachtsmann war nicht zu bremsen,
während die Queen angeekelt etwas von einem „senilen Kalauer” vor sich
hin murmelte. „Aber erst bringen wir die Fahrt noch zu Ende.”
Die Adelshäupter zogen den Schlitten über den Feldweg, der zum Wald
führte. Wie ein Zauberhüttchen tauchte das Haus von Oma Strengbein im
Mondlicht auf, eingepackt in wattigen Schnee und dunkelblaue, hohe
Nadelbäume. Oma Strengbein war gut in
den Achtzig - doch, auch wenn die Kälte sie plagte, sie wusste um ihre
Pflichten. Tip-top war der Platz vor dem Haus geräumt und gestreut.
„Extra für uns.” Der Weihnachtsmann war tief gerührt.
Im nächsten Augenblick ertönte ein hässliches, schrilles Quietschen,
der Schlitten ruckte heftig, kam mit einem unheilvollen Knacken zum Stehen.
Unter den Kufen schimmerte schwach der griffige Splitt, der ein Ausrutschen
verhindern sollte.
„Hoffentlich ist nichts kaputt gegangen”, stöhnte der Weihnachtsmann und sprang vom
Schlitten. Voll Unruhe umschritt er das Gefährt, ließ sich auf der rechten
Seite schwerfällig auf die Knie nieder, um erschreckt festzustellen, was
eigentlich schon im Stehen deutlich erkennbar gewesen war:
„Die rechte Kufe ist gebrochen.”
„Ein dilettantischer Fahrfehler”, sagte der Sir genüsslich. Der Kalauer
war gerächt.
Auch Lady Edelgunde machte aus ihrem Herzen keine Mördergrube:
„Wie letztes Jahr. Erinnert ihr euch noch an das Schrammen am Kamin?
Wahrscheinlich hat
damals die Kufe einen Knacks bekommen und der Besitzer des Schlittens hat
es das Jahr über nicht für nötig gefunden, sich um sein Gefährt zu kümmern.
Typisch Mann.”
„Na, na, Edelgunde!”, sagte King Irenäus. „Auch wenn ich in den
wesentlichen Punkten mit dir übereinstimme:
Du solltest diese typisch weiblichen Verallgemeinerungen unterlassen.”
Der typische Kampf der Geschlechter lieferte dem Gewissen des
Weihnachtsmanns keine Erleichterung. „Es ist ... es werden jedes Jahr mehr
und schwerere Geschenke. Es ist zu viel für den Schlitten.”
Eine wenig plausible Erklärung, da der Schlitten bereits weitgehend
geleert war. Nach einer ratlos durchschwiegenen Weile fügte er hinzu:
„Was sollen wir jetzt machen?”
(Auflösung im morgigen Türchen)
Text: ©Kili Riethmayer
Bild: ©Doris Lettmann
Für den Fall, dass Ihnen die Erlebnisse von Weihnachtsmann & Co.
Spaß machen und Sie die Episoden der vergangenen Jahre
verpasst haben, finden Sie diese unter den nachstehenden Links.
Eine denkwürdige Schlittenfahrt (2010),
Schöne Bescherung (2011),
Die Überraschung (2012),
Das Weihnachtsessen (2013)
Aushilfskräfte (2014)
Der Herzenswunsch (2015)