Vorbemerkung: Inzwischen sind das (Christ)Kindl, der Weihnachtsmann und die vier Adelshäupter, seine Rentiere, schon eine Institution im Adventskalender. Und trotzdem ist der Weihnachtsmann nach all seinen Berufs- und Kalenderjahren nervöser denn je ...
Die Episoden der vergangenen Jahre finden Sie am Ende dieser Seite.
„Brrr!”; rief der Weihnachtsmann nervös.
Die Adelshäupter warfen sich fragende Blicke zu, zuckten schließlich mit den Schultern. Es war nicht das erste Mal heute, dass der Weihnachtsmann sich um einige Meter verbremst hatte, über das Ziel hinausgeschossen war. Ächzend wälzte er sich vom Sitz, studierte die Liste, und bat das Christkind ihm die entsprechenden Geschenke herunterzureichen.
„Wir sind in der Schillerstraße 17, nicht in der Goethestraße!”; sagte das Christkind.
„Ach ja, natürlich!”; Der Weihnachtsmann beugte den Kopf noch tiefer über die Liste.
„Auch schon des zweite mal heute!”; sagte der King zu den anderen, als der Weihnachtsmann mit den Geschenken auf das Haus zustapfte. „Das war doch bislang nicht so.”;
„Er ist grässlich zerstreut und unkonzentriert!”; nickte die Queen zustimmend.
„Er wird alt”; bemerkte Lady Edelgunde kapriziös. „Vielleicht sollten wir das Christkind fragen, ob wir ihn nicht ...”;
Ein dreifacher, vorwurfsvoller Blick brachte sie zum Schweigen. „Ph, ihr versteht aber auch gar keinen Spaß!”;
„Solange nicht klar ist, was mit ihm los ist: Nein!”;
Selbst die herrlichen Schlittenflüge zwischen den Orten, über und durch die Wolken, gerieten heute zum Fiasko! Das Christkind musste mehrmals unauffällig eingreifen, um die Folgen grober Navigationsfehler zu verhindern. Einmal streiften sie mit den Kufen einen hohen Fabrikschlot.
„Nicht der schon wieder!”; flüsterte der Weihnachtsmann entsetzt, während es ihm ob des Beinahe-Zusammenstoßes kalt über den Rücken lief.
„Was drückt dich denn?”; fragte das Christkind, denn es war allzu offensichtlich, dass der Weihnachtsmann restlos außer Form war.
„Nichts, nichts!”; antwortete der Weihnachtsmann hastig. „Ich denke, ich glaube - es fehlt einfach der Schnee. Wenn alles so grau und braun ist, dann ist das kein Weihnachtswetter. Das ist alles!”;
Deswegen solch eine Nervosität? Die Adelshäupter blickten sich erneut an. Es war doch nicht das erste Weihnachten, das unter Schneemangel litt! Immerhin regnete es nicht.
„Alpspitzweg 12 - mal schauen ... Ach ja, hier.”; Der Weihnachtsmann konsultierte seine Liste, halblaut die einzelnen Posten verlesend. Das Christkind legte die Geschenke griffbereit auf den Kutschbock.
„Alles!”; sagte der Weihnachtsmann und lud sich die Geschenke auf.
„Mir ist so, als ob etwas fehle. Irgendetwas spukt mir im Kopf herum!”; sagte das Christkind nachdenklich.
„Nein - das ist alles!”; sagte der Weihnachtsmann knapp, fast harsch.
„Und doch ...”;
„Jeder kann sich einmal täuschen!”; sagte der Weihnachtsmann und stapfte auf das Haus zu.
Der Rest der Fahrt verlief - bis auf das Verlesen der Wünsche und das monotone „Brrr”; und „Hüh”; - in schweigsamer Spannung. Schließlich war das letzte Geschenk ausgeliefert, das Gespann konnte sich auf die Heimfahrt - oder den Heimflug - unter dem glänzenden Sternenhimmel machen.
Kaum, dass das Gespann in die Garage geglitten war, sprang der Weihnachtsmann vom Kutschbock, marschierte auf die Verbindungstür zum Haus zu, und rief dem Christkind über die Schulter zu: „Kannst du bitte die Adelshäupter ausspannen - ich muss noch schnell etwas erledigen!”;
Warum nur klemmte gerade heute der Hausschlüssel? Unter der Mütze des Weihnachtsmannes bildeten sich Schweißperlen. Und wie konnte das Christkind es nur schaffen, die Adelshäupter in dieser Geschwindigkeit von ihrem Geschirr zu befreien, so dass sie bereits erwartungsvoll hinter ihm standen?
„Endlich!”; rief der Weihnachtsmann aus, als das Schloss nachgab. „Es ist, äh, es soll eine Überraschung werden, ich muss unbedingt vorgehen!”;
„Es ist bereits Weihnachten, du brauchst die Geheimnisse nicht länger geheimhalten, lieber Weihnachtsmann!”; sagte das Christkind milde.
„Ja, Chef!”; röhrten die Rentiere, „Wir wollen die Überraschung jetzt sehen. Schließlich müssen wir jedes Jahr schrecklich lange warten, bis endlich Bescherung ist!”;
Dicht hinter dem Weihnachtsmann stapften sie auf das Arbeitszimmer zu, in dem der Weihnachtsmann sein gemütliches Reich eingerichtet hatte, und das seit Jahren auch das Weihnachtszimmer war. Der Weihnachtsmann öffnete die Tür. Die Betrachter waren erst einmal geblendet durch das Licht der Kerzen am Weihnachtsbaum. Das Kindl hielt da seine kleinen Extras bereit, um den Baum bei ihrer Rückkehr auf himmlische Weise zu entzünden. Der Weihnachtsmann schob sich unauffällig in Richtung Fernseher.
„Oh, was leuchtet denn da?”; staunte die Queen, den Blick auf einen schwarzen Kasten gerichtet, auf dessen Frontseite einige Skalen rhythmisch zuckten.
„Wenn du mich frägst: ein Videorecorder.”; sagte Sir Quirin. „Ein eingeschalteter Videorecorder, um genau zu sein!”;
„Ich habe vergessen ihn auszuschalten.”; stammelte der Weihnachtsmann, und machte sein Versäumnis schnell wieder gut.
„Seit wann hast du denn einen Videorecorder?”; fragte das Christkind. „Ich kann mich nicht daran erinnern, ihn gestern schon hier gesehen zu haben.”;
Das Gesicht des Weihnachtsmann hatte einen Rot-Ton angenommen, der denjenigen seines prächtigen Mantels noch übertraf. Verlegen stotterte er: „Es ist ...”; Er verstummte.
„... der Videorecorder aus dem Alpspitzweg 12 - ertappt!”; rief Lady Edelgunde mit einem sensationslüsternen Glitzern in den Augen und nicht dem geringsten Versuch, etwas Fingerspitzengefühl in die peinliche Situation zu legen.
„Trampel!”; zischte ihr Sir Quirin zu.
„Ich habe ihnen einen Gutschein unter den Weihnachtsbaum gelegt, mit der Aufschrift, dass der Videorecorder gleich nach den Feiertagen lieferbar wäre.”; Der Weihnachtsmann blickte nach dieser Erklärung hilflos in die Runde.
„Aber warum?”; fragte King Irenäus.
„Weil,”; sagte der Weihnachtsmann und versank tiefer in seinem Mantel „heute abend ,Vom Winde verweht' kommt und ich hemmungslos auf diesen Film stehe. Ich musste ihn einfach aufnehmen!”;
Die Adelshäupter blickten sich an:
„Vom Winde verweht - so eine Schnulze!”; sagte der King halblaut zu Sir Quirin.
„Vom Winde verweht”; Die Queen konnte ein gewisses Verständnis für den Weihnachtsmann nicht unterdrücken.
„Wegen so etwas ...”; sagte der Sir, das Ende des Satzes bedeutungsschwanger offenlassend - das Lady Edelgunde in ihrer herzerfrischend direkten Art erbarmungslos hinzufügte:
„ ... hinterzieht er brutal Weihnachtsgeschenke!”;
Doch gar so herzlos, wie sie sich ab und an gefiel den Anschein zu erwecken, war die Lady nun doch nicht. Als sie den Weihnachtsmann vollkommen niedergeschmettert vor sich sah, als Häuflein Elend, das immer noch den Video-Recorder mit dem Rücken zu verdecken suchte, rief sie atemlos: „Wollen wir 'mal?! - Los gebt ihm schon sein Geschenk!”;
Das Christkind zog aus seiner Wolke ein längliches Paket: „Fröhliche Weihnachten, Chef - los, aufmachen!”;
„Trotzdem?”; sagte der Weihnachtsmann geknickt und unsicher.
Fünf Häupter nickten, sahen mit erwartungsfrohen Augen auf den Chef.
„Ein - Videorecorder!”; rief der Weihnachtsmann fassungslos. „Ihr habt mir ...”;
„Los, anstecken!”; dröhnte der Chor.
„Aber ...”; der Weihnachtsmann drehte sich um. Sein Blick fiel auf den Platz, an dem eigentlich ein anderer Videorecorder hätte stehen sollen, an dem stattdessen nur ein Videorecorder-großes Loch gähnte, aus dem einige Kabel ragten. Überrollt von den Ereignissen, stellte der Weihnachtsmann mit zittrigen Händen die Verbindungen her.
„Los, Fernseher einschalten! - Auf Videoempfang stellen! - Recorder einschalten! - Start drücken, Kassette ist schon drinnen!”; Die Anweisungen des Chors erschollen im Staccato.
Als die ersten Bilder ,Vom Winde verweht - Originalversion, Reproduktion etc. strengstens verboten!' über den Bildschirm flimmerten, kullerten dem Weihnachtsmann dicke Rührungstränen über die Wangen. „Danke - ihr seid einfach phantastisch!”; Er umarmte erst das Kindl, dann drückte er die Adelshäupter der Reihe nach an sich.
„Vorsicht - mein Make Up!”; sagte Lady Edelgunde, die anders der eigenen Rührung nicht hätte Herr werden können. Der Weihnachtsmann wandte sich nochmals dem Christkind zu, plötzlich wieder ein Bild der Trauer und Hoffnungslosigkeit. Er stieß einen riesigen Seufzer aus.
„Ist erledigt!”; sagte das Christkind von seiner Sitzwolke herab. „Der Gutschein konnte doch noch rechtzeitig eingelöst werden, vor den Feiertagen - inklusive Leerkassette.”;
„Dafür ...”;
„ ... kochst du uns morgen ein prächtiges Weihnachtsessen, und nach dem Essen schauen wir uns deinen Film an!”; röhrte der Chor.
„Bloß kein Fleisch!”; sagte die Queen (s. Das Weihnachtsessen).
„Und keinen Fisch”; ergänzte Lady Edelgunde.
„Und ja keine Sauerei!”; sagte der King.
Dabei kugelten sie sich schier vor Lachen.
„Aber jetzt wollen wir erst einmal unsere Geschenke!”;
Kili Riethmayer
Für den Fall, dass Ihnen die Erlebnisse von Weihnachtsmann & Co.
Spaß machen und Sie die Episoden der vergangenen Jahre
verpasst haben, finden Sie diese unter den nachstehenden Links.
Eine denkwürdige Schlittenfahrt (2010),
Schöne Bescherung (2011),
Die Überraschung (2012),
Das Weihnachtsessen (2013)
Aushilfskräfte (2014)